Die Einblicke des Werner Bliß
VON CHRISTIANE AGÜERA
Bei der Lesung aus dem Manuskript „Von Nackenpinseln und Effilierscheren“ verschlug es die Zuhörer im Museum im Herrenhaus in die 1950er- und 60er-Jahre.

Hausach. Tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt und Kindheit gab Werner Bliß am Sonntag im Museum im Herrenhaus. Die Lesung aus seinem Manuskript „Von Nackenpinseln und Effilierscheren“ sandte die Zuhörer, „seine alten und neuen Weggefährten“, immer wieder in die 1950erund 60er-Jahre. Werner Bliß katapultierte sich selbst in diese Erinnerungen, sammelte Sinneseindrücke in dem kleinen Friseursalon in Lissabon, die ihn in das Friseurgeschäft seines Vaters in Schiltach zurückversetzten.
„Montags gingen bei uns die Uhren anders“, beschrieb der Autor und Künstler den „Heiligen Herrn Mendig“ und seinen Vater, bei dem es nichts gab, was dieser nicht konnte. In der Hommage an seinen Vater mit dem immer wieder herauszuhörenden Respekt vor ihm und seinem strukturiertem Leben auch außerhalb des Salons, wurde deutlich, dass der kleine Werner ihm alles recht machen wollte. Es galt dem Vater zu gefallen. „Die Mutter hatte das Geschick einzulenken und Vater zu beruhigen.“ Werner Bliß wechselte vom Portugiesischen in den heimischen, schwäbischen Dialekt. Er beschrieb bis ins Kleinste, detailgetreu und ließ Geräusche, Gerüche und Bilder auf die Zuhörer überspringen. Er berichtete von Händen, die den Kunden an den Kragen gingen, dem spitzwinklig aufgeklappten Rasiermesser und dem Weißhaarbekränzten, der Halskrause, die reflexartig das Kinn nach oben rucken ließ und den Langhaarigen, die laut Vater „unsere Existenz kosten“.
Die Beobachtungen beim Friseurbesuch verliefen chronologisch, die Sprünge in die Kindheit hingen hingegen je nach Eindruck und vom Reiz des Beobachtens ab. Das kleine gelbe „Ferngläsle“ erinnerte ihn an sein eigenes blaues, das Tierfotos von der Serengeti zeigte und auch an seine Sammlung an Tierfiguren, seine eigene heile Welt. Die Tage allein bei Onkel Karl und Tante Käthe in Mannheim, die Erzählungen, die er über die Kriegswirren aufschnappte oder Vater beim Kartenspiel waren weitere Rückblicke.
Es habe den Vater stolz gemacht, als sein Bub nach Hausach auf das Gymnasium ging. Werner Bliß hingegen war froh, nach der Schule wieder unter Schiltachern zu sein, in seinem Dialekt. Er blickte auf die Liebschaft, die nicht aufging, erinnerte sich an die Kollegin, in deren Namen er sich schon verliebt hatte und schließlich seine Rückkehr nach Deutschland Werner Bliß fiel es schon als Jugendlichem leicht, zu inszenieren und imitieren, Dialekte aufzuschnappen und die Schul- und heimische Kleinkunstbühne als komödiantischer Unterhalter zu erobern. Die Lacher waren auf seiner Seite, auch in der sonst eher melancholischen Lesung am Sonntagnachmittag im Herrenhaus. Museumskurator Udo Prange zeigte sich begeistert von der „sagenhaften“ Lesung und den ausgestellten Werken des Künstlers Werner Bliß, der im Anschluss mit den Besuchern ins Gespräch ging.